Als UXie bin ich mir sicher, dass du schon oft gefragt wurdest: “Was ist Ihr UX-Designprozess? Was oder wie viele Schritte hat er? Wie gehst du vor”

Nun, es gibt einen ganz einfachen Grund, warum diese Frage bei uns Designern so beliebt ist: Der UX-Prozess ist ein Eckpfeiler des UX-Designs, es ist ein make-it-or-break-it-Aspekt einer guten Gestaltung. Ohne einen soliden UX-Prozess könnte sich ein Designer komplett im Dunkeln bewegen. Ein übersichtlicher und präziser Prozess ermöglicht die richtigen Entscheidungen zu treffen um dann maßgeschneiderte oder hochwertige Erfahrungen für den Benutzer zu erstellen.
In diesem Artikel beschreibe ich mal ganz simpel einen allgemeinen UX-Design Entwurfsprozess sowie eine mögliche Reihenfolge, in der bestimmte Phasen ausgeführt werden sollten. Wir werden auch sehen, welche Methoden von UX-Designern in jeder Phase verwendet werden können. Wie sieht ein UX-Prozess also aus? Die Antwort auf diese Frage ist: It depends.
Ein UX-Designprozess ist etwas, das jeder in der UX-Branche hat, aber etwas, das jeder anders macht. Dies geschieht, weil der UX-Prozess stark vom Projekt abhängt. Unterschiedliche Projekte erfordern unterschiedliche Ansätze: Die Herangehensweise an eine Corporate Website unterscheidet sich von der Art, wie wir z.B. eine Dating App gestalten würden. Und obwohl es einige Praktiken gibt, die UX-Designer für jedes Projekt befolgen sollten (z. B. Produktforschung, bevor sie zum Prototyping übergehen), gibt es in jedem Teil des Prozesses Prinzipien, die für das spezifische Projekt maßgeschneidert werden müssen.

Im Kern wird jeder UX-Prozess mehr oder weniger aus den folgenden fünf Schlüsselphasen bestehen:

 

1. Kick-Off / Produktdefinition

Eine der wichtigsten Phasen im UX-Design wird tatsächlich ausgeführt, bevor der UX-Designprozess überhaupt beginnt. Bevor du ein Produkt erstellen kannst, musst du seinen Kontext und die Berechtigung für die Existenz verstehen. Die Phase der Produktdefinition legt den Grundstein für den Erfolg deines Produkts. Während dieser Phase brainstormt der UX-Designer das Produkt auf höchster Ebene (im Grunde das Konzept des Produkts) mit den Stakeholdern oder Entscheidern. Diese Phase umfasst normalerweise:

Stakeholder-Interviews:
Befragung wichtiger Interessengruppen in einem Projekt, um Erkenntnisse über ihre Ziele zu gewinnen. Das Definieren der Ziele und Werte des Produkts, das du erstellen möchtest, ist ein Schlüsselfaktor für einen ergebnisorientierten guten Prozess.

Value Proposition (Wertversprechen) erstellen:
Das Wertversprechen bildet die wesentlichen Aspekte des Produkts ab: was es ist, für wen es bestimmt ist und wann und wo es verwendet wird. Value Proposition hilft dem Team und den Stakeholdern, einen Konsens darüber zu erreichen, was also das Produkt sein wird.
Konzept skizzieren: Erstellen eines frühen Modells von dem, was das Team zu erschaffen will.

Projekt-Kick-Off-Meeting:
Das Kick-Off-Meeting bringt alle wichtigen Akteure zusammen, um angemessene Erwartungen sowohl an das Team als auch an die Interessengruppen zu stellen. Es umfasst den allgemeinen Überblick über den Produktzweck, wer an der Entwicklung und Entwicklung des Produkts beteiligt ist, wie diese zusammenarbeiten und welche Erwartungen die Interessenvertreter haben (wie z. B. KPI und wie der Erfolg des Produkts gemessen werden soll).

 

2. Research / Produktforschung

Sobald die Produkt- oder Projektidee offiziell angesprochen ist, bildet die Researchphase oder Produktforschung (die natürlich auch die Nutzer- und Marktforschung umfasst) die andere Hälfte der Grundlage für gutes Design. Gute und kritische Forschung informiert dich über dein Produkt und die Tatsache, dass es früh im Designprozess kommt, spart eine Menge Ressourcen (Zeit und Geld) weiter unten (da weniger Anpassungen vorgenommen werden müssen).
Die Researchphase ist wahrscheinlich die am stärksten variierende zwischen den Projekten – die Phase variiert je nach Komplexität des Produkts, Zeitpunkt, verfügbaren Ressourcen und vielen anderen Faktoren. Diese Phase kann umfassen:
Individuelle Tiefeninterviews (oder IDI): Ein gutes Produkterlebnis beginnt mit einem guten Verständnis der Nutzer. UX-Designer möchten nicht nur wissen, wer ihre Benutzer sind, sondern wir wollen vor allem tiefer in ihre Bedürfnisse, Ängste, Motivationen und Verhaltensweisen eintauchen. Dazu benutzen wir solche qualitativen Forschungsmethoden.
Wettbewerbsforschung: Eine umfassende Analyse von Wettbewerbsprodukten bildet ihre bestehenden Merkmale (Unique Value Proposition) vergleichbar ab. Intensive Forschung hilft UX-Designern, Industriestandards oder vor allem das Produkt in einem bestimmten Bereich exakt zu verstehen. Denn nur was man genau versteht, kann man auch besser machen.

 

3. Analyse

Ziel der Analysephase ist es, Erkenntnisse aus Daten zu gewinnen, die während der Researchphase gesammelt wurden. Das Erfassen, Organisieren und Ableiten von Schlussfolgerungen aus dem, was die Benutzer wünschen / denken / brauchen, hilft uns Designern zu verstehen, “Warum” sie dies wollen / denken / brauchen. In dieser Phase bestätigst du also, dass die wichtigsten getroffenen Annahmen gültig sind, oder nach Faktenlage geändert werden müssen.
Diese Phase umfasst normalerweise:
Erstellen von Personas: Personas sind fiktive Charaktere, die erstellt werden, um die verschiedenen Benutzertypen darzustellen, die ein Produkt auf ähnliche Weise verwenden. Der Zweck von Personas besteht darin, zuverlässige und realistische Darstellungen der wichtigsten Zielgruppensegmente als Referenz zu erstellen und das Konzept an diesen Personas und nicht nach Meinungen  auszurichten.

Erstellen von Erlebnis Landschaften (Experience Maps): Eine Experience Map ist ein wichtiges Design-Tool, um die Interaktionen zwischen Produkt und Service aus der Sicht der Benutzer zu verstehen. Eine solche Map ist im Grunde eine visuelle Darstellung, die den Benutzer- Benutzungsfluss innerhalb eines Produkts / einer Dienstleistung darstellt. Weit verbreitet sind auch die Begriffe User- oder Customer Journey Map, welche synonym benutzte werden können. Eine grundlegende Experience Map folgt immer nur einem Pfad (einem Benutzer, einem Ziel, einem Szenario), selbst wenn das Produkt / der Dienst mehrere Variationen zulässt. The ideal path oder der goldene Weg halt.

 

4. Design / Konzept

Wenn die Nutzerbedürfnisse und -erwartungen an das Produkt festgestellt wurden (d.h. es ist eindeutig belegt, was ihre Ziele sind und wie sie damit arbeiten wollen), fängt die Designphase an. Eine effektive Entwurfsphase ist sowohl in hohem Maße kollaborativ (sie erfordert Input von allen Teamplayern, die an der Produktentwicklung beteiligt sind) als auch iterativ (was bedeutet, dass sie auf sich selbst zurückgreift, um Ideen erneut zu hinterfragen und abzusichern)

Die Entwurfsphase umfasst im groben:

Skizzieren (Sketch):
Skizzieren ist die einfachste Möglichkeit, unsere Ideen zu visualisieren. Zeichnen von Hand (Pen&Paper) ist auch der schnellste Weg, um ein Konzept zu visualisieren – es ermöglicht dem Designer, eine breite Palette von Design-Lösungen superschnell zu visualisieren, bevor man sich entscheidet, welche weiter verfolgt werden soll.

Erstellen von Wireframes:
Ein Wireframe ist ein visueller Leitfaden, der die Struktur (Hierarchien, Schlüsselelemente, Informationen) und auch Interaktionen darstellt. Wireframing fungiert als Rückgrat deines Konzepts. Sie sind sozusagen das Skelett für zukünftige Prototypen.

Erstellen von Prototypen:
Wenn Wireframes hauptsächlich über Struktur und visuelle Hierarchie arbeiten, dann geht es bei Prototypen vor allem um Interaktionserfahrung (sowohl Aussehen als auch Gefühl). Ein Prototyp ist eine Simulation des Produkts. Das kann ein Papierprototyp sein, den du aus deinen Sketches baust und sofort ausprobierst, das kann Lo-fi über Wireframes geschehen, die interaktiv zusammengebaut werden, oder auch über Hi-fi Prototypen, welche in dafür eigens entwickelten Tools zusammengebaut oder auch direkt programmiert werden.

Erstellen einer Designspezifikation (Design Specs):
Designspezifikationen bestehen in der Regel aus Wireframes und Flows (Benutzungsdiagrammen), die die Funktionalität und den Stil des Produkts beschreiben. Designspezifikationen beschreiben die Prozesse und grafischen Elemente, die für die spezielle Erfahrung rund um dein Produkt benötigt werden.

 

5. Validierung / Testing

Normalerweise beginnt die Validierungsphase, wenn das Hi-Fi-Design konkretisiert wird. Ein Produkt wird mit Stakeholdern und Endbenutzern durch die Reihe von Benutzertests validiert. Ähnlich wie in der Produktforschungsphase ist diese Phase auch zwischen den Projekten variabel. Eine Validierungsphase kann im wahrsten Sinne auch bedeuten:

“Essen Sie Ihr eigenes Hundefutter:” Sobald das Design-Team das Produkt an den Punkt gebracht hat, an dem es verwendbar ist, ist das Testen mit dem Produkt-Team eine großartige kostengünstige oft auch sehr lustige Validierungsmethode.

Benutzertests
Qualitative Benutzertests dienen als Testmethode deines Konzepts, basierend auf Tests mit realen Benutzern unter laborähnlichen Bedingungen. So sollte idealerweise ein erfahrerer Researcher diese Tests durchführen, da es unter Umständen bei wenig erfahrenen Testern häufig zu geschlossenen oder manipulierenden Fragen kommt. Benutzertests haben viele Formen, einige der beliebtesten sind Usability-Tests, Fokusgruppen, Beta-Tests, A/B-Tests oder online Umfragen.

Ein paar Beispiele für offene Fragen:
Wo warst du, als du das Produkt benutzt hast?
Welche Aufgaben hast du erhofft damit zu lösen?
Hast du etwas, das dich frustriert hat?

Analytics (Metrikanalysen)
Zahlen, die von einem Analysetool zur Interaktion eines Nutzers mit Ihrem Produkt bereitgestellt werden: Klicks, Navigationszeiten, Mauszeiger Bewegungen, Suchanfragen usw. Metriken können auch das “Unerwartete entdecken” und Verhaltensweisen aufzeigen, die in Benutzertests nicht explizit zu entdecken sind.
Mit Feedback von Benutzern arbeiten: Feedback-Daten wie Support-Tickets, Fehlerberichte und andere Analysen können die iterative Produktverbesserung ebenso wesentlich vorantreiben.

 

6. Und nun? Verbessere stetig deinen Designprozess!

Das war ein relativ grober Überblick, wie die einzelnen Phasen miteinander verbunden sind. Lasst uns mal einige hilfreiche Tipps zur Verbesserung des UX-Designprozesses betrachten:
Es ist wichtig zu verstehen, dass UX-Design kein klarer linearer Prozess ist. Die einzelnen Phasen im Prozess haben oft beträchtliche Überschneidungen und normalerweise gibt es viel Hin und Her. Wenn der UX-Designer mehr über das zu lösende Problem, die Benutzer und Einzelheiten des Projekts (insbesondere Einschränkungen) erfährt, kann es erforderlich sein, einige der durchgeführten Untersuchungen oder Annahmen zu wiederholen oder neue Entwurfsideen auszuarbeiten.

Die Bedeutung der Kommunikation
Kommunikation ist eine mächtige Waffe und Werkzeug. Während gutes Design eine Sache ist, ist die Kommunikation für großartiges Design ebenso wichtig, da selbst die besten Konzepte scheitern, wenn sie z. B.nicht vom Team und den Stakeholdern akzeptiert werden. Deshalb achten gute UX Designer auf ein hohes Maß an offener und früher Kommunikation sowohl mit den Stakeholdern, als auch mit den Benutzern, denn diese entscheiden schlussendlich über die Annahme oder Ablehnung deines Produktes.

Benutzt Module um euren Prozess an Projekte anzupassen
UX Designer sollten bei jedem Projekt flexibel sein – dein Prozess sollte auf die spezifischen Projektanforderungen zugeschnitten sein, sowohl geschäftlich als auch funktional. Ein auf die Fähigkeiten und Ziele des Unternehmens und den Wünschen des Benutzers gleichermaßen zugeschnittener Prozess erwies sich in bisherigen Projekten als allgemein sehr wirksam.
Flexibilität zeichnet uns Designer aus. Wir konzipieren nicht nur Design ständig neu, wir arbeiten auch ständig an uns selbst, optimieren uns und sind stets flexibel genug um Neues anzunehmen und in unsere Prozesse einzubauen. Dies ist vor allem eine Eigenschaft, die wir besitzen, welche große starre Unternehmen nicht haben bzw. nicht so schnell umsetzen können. Somit werden gute UX Designer immer benötigt werden.

 

Fazit:

Wenn es um den UX-Designprozess geht, gibt es keine Lösung für alle Fälle. Aber egal, ob euer Prozess leichtgewichtig schlank oder voll von Aktivitäten ist, das Ziel eines jeden UX-Designprozesses ist derselbe – Erstelle ein großartiges Produkt für den Benutzer! Verwende also das, was am besten für Dein Projekt funktioniert und moduliere deinen UX-Prozess ständig weiter, während sich dein Konzept oder Produkt ebenfalls weiterentwickelt.